Schrödingers Katze

  • Bei Schrödingers Katze handelt es sich um ein Gedankenexperiment aus der Physik, das 1935 von Erwin Schrödinger vorgeschlagen wurde.

    Es problematisiert die direkte Übertragung quantenmechanischer Begriffe auf die makroskopische Welt in Form eines Paradoxons. Das Paradoxon besteht darin, dass dem Gedankenexperiment nach eine Katze als makroskopisches System mit den Regeln der Quantenmechanik in einen Überlagerungszustand aus „lebendig“ und „tot“ gebracht werden könnte und so verbleibt, bis die Experimentieranordnung untersucht wird, was der Anschauung und Alltagserfahrung widerspricht. Die gleichzeitig tote und lebendige Katze würde erst dann auf einen eindeutigen Zustand festgelegt, wenn man sie beobachtete, also eine Messung durchführte. Das scheinbare Paradoxon kann dadurch aufgelöst werden, dass die Überlagerungszustände von komplementären Zuständen, die, von der Wechselwirkung mit der Umgebung isoliert, stabil bleiben, tatsächlich möglich sind, auch wenn sie menschlicher Alltagserfahrung widersprechen. In Anlehnung an das Gedankenexperiment werden solche Zustände als Katzenzustand (englisch cat-state) bzw. auch Schrödinger cat-like state bezeichnet. Die Untersuchung physikalischer Systeme in Katzenzuständen erlaubt es zu erklären, warum so große makroskopische Systeme wie Katzen nicht in solchen Überlagerungszuständen vorliegen. Jede Wechselwirkung des Systems mit der Umgebung stellt eine Messung im quantenmechanischen Sinne dar und lässt die Überlagerung kollabieren. Da auch alle Teilsysteme einer Katze als Umgebung der jeweils anderen Teilsysteme wirken und das Lebendigsein der Katze an sich eine Wechselwirkung mit der Umwelt darstellt, kommt es zu keinem katzenweiten Überlagerungszustand kohärenter Zustände.


    Hintergrund


    Die Quantenmechanik beschreibt den Zustand eines physikalischen Systems mittels einer Wellenfunktion, die durch Lösung der Schrödingergleichung berechnet wird. Die Lösungen sind im Allgemeinen gewichtete Summen der Eigenzustände der Schrödingergleichung. Da nur den Eigenfunktionen eindeutig definierte Messergebnisse zugeordnet werden können, nicht aber dem Gesamtzustand, ist durch den quantenmechanischen Zustand nicht eindeutig bestimmt, welches Messergebnis bei einer Messung erhalten wird. Vielmehr ergeben sich gemäß der Quantenmechanik zufällige Messergebnisse, deren Verteilung durch die Wellenfunktion beschrieben wird.

    Zum Zeitpunkt von Schrödingers Veröffentlichung waren typische Quanteneffekte überwiegend im mikroskopischen Bereich bekannt, die Anwendbarkeit der Quantenmechanik auf komplexe makroskopische Prozesse, z. B. auf den Messprozess, war jedoch unklar. Dies äußerte sich unter anderem in der Tatsache, dass im Rahmen der Kopenhagener Interpretation zur Beschreibung von Messprozessen ein eigenes Postulat angenommen wurde, das als nicht auf die Schrödingergleichung zurückführbar galt. Schrödingers Gedankenexperiment diente der Illustration der mit der Anwendung des Quantenzustands auf makroskopische Systeme verbundenen konzeptionellen Schwierigkeiten, des später so genannten Messproblems. Heute ist die Quantentheorie makroskopischer Systeme ein umfangreich untersuchtes Teilgebiet der Physik.



    Das Gedankenexperiment



    Ohne Wechselwirkung mit der Außenwelt befindet sich Schrödingers Katze in einem überlagerten Zustand. Sie ist sowohl lebendig als auch tot.

    Das Gedankenexperiment fingiert, dass sich in einem geschlossenen Raum ein instabiler Atomkern befindet, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall des Atomkerns wird von einem Geigerzähler gemessen. Im Falle einer solchen Messung wird Giftgas freigesetzt, das eine im Raum befindliche Katze tötet.

    Gemäß der Quantenmechanik lassen sich beispielsweise instabile Atomkerne durch einen Überlagerungszustand aus den Zuständen „noch nicht zerfallen“ und „zerfallen“ beschreiben. Schrödinger schlägt nun vor, dass – wenn die Quantenphysik auch auf makroskopische Systeme anwendbar wäre – sich auch die Katze im Zustand der Überlagerung befinden müsste, so lange niemand den abgeschlossenen Raum öffnet und den Zustand der Katze überprüft ( = Messung). Sie wäre also lebendig und gleichzeitig tot. Diese Schlussfolgerung erscheint paradox.

    Schrödinger selbst formuliert das 1935 in seinem Aufsatz Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik. § 5. Sind die Variablen wirklich verwaschen?

    – Erwin Schrödinger


    Interpretationen

    Die Abläufe im verschlossenen Kasten werden sehr unterschiedlich interpretiert.


    Dekohärenz

    Gemäß der Dekohärenztheorie kommt es zu einer Unterdrückung der Kohärenzeigenschaften des quantenmechanischen Zustands eines Systems, wenn dieses System mit einer Umgebung oder einem Wärmebad in Kontakt tritt. Bei makroskopischen, warmen Systemen, z.B. einer Katze, können auch Teile des Systems gegenseitig als Wärmebad fungieren. Solche Systeme unterliegen daher immer der Dekohärenz.[3] Dadurch findet ein effektiver Kollaps der Wellenfunktion statt.

    Die Dekohärenztheorie nimmt damit ernst, dass die Vergiftungsapparatur und die Katze selbst makroskopische Objekte sind, die auf irreversible Weise nicht auf den „Messprozess“ durch das Öffnen des Kastens, sondern auf den Zerfall des Atomkerns reagieren. Mit anderen Worten, der Detektor in der Vergiftungsapparatur und damit auch die Katze selbst, sind eine Messapparatur: Der Zerfall des Atomkerns führt zur Dekohärenz der Wechselwirkungen zwischen Atomkern und Detektor.


    Kopenhagener Deutung

    In der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik erfolgt im Moment der Messung ein Kollaps der Wellenfunktion des gemessenen Systems. Beim Öffnen des Raums und Beobachtung (Messung) springt der Atomkern, der sich zuvor im Zustand der Überlagerung befand, in einen der zu diesem Messapparat gehörenden Eigenzustände. Erst bei der Messung (hier durch einen äußeren Beobachter) entscheidet sich also, ob die Katze tot oder lebendig ist. Vor der Messung kann über den Zustand der Katze nicht mehr als eine Wahrscheinlichkeitsaussage getroffen werden.


    Viele-Welten-Interpretation

    Einfache Vorstellung zur Interpretation des Experiments. Das Universum teilt sich in zwei Hälften, die unterschiedliche Wege einschlagen. Gemäß der Viele-Welten-Interpretation bleiben beide als gleichberechtigte Realitäten erhalten und entwickeln sich von nun an unabhängig voneinander weiter.

    Die Viele-Welten-Interpretation geht auf den Physiker Hugh Everett zurück. Sie ist keine neue oder zusätzliche Theorie, sondern eine alternative Interpretation der Quantenmechanik. Die Viele-Welten-Interpretation spricht allen möglichen Zuständen (also hier „Katze tot“ und „Katze lebendig“) gleichermaßen physikalische Realität zu. Es gibt dann tatsächlich ein Universum, in dem das Atom zerfallen ist, und eines, in dem das Atom noch nicht zerfallen ist. Im ersten Universum öffnen wir den Kasten und finden die Katze tot, im zweiten Universum ist die Katze lebendig. Unsere Erinnerungen und das, was wir als Realität wahrnehmen, entsprechen dann nur einer von unzähligen möglichen (und gleichermaßen realisierten) Geschichten des Universums.

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